Newaletter 2023

Liebe Freunde, Helfer, Wohltäter!

Nach dem Debakel der letzten Bolivienreise im Dezember 2021 fühlte ich mich dem Ende meiner Arbeit in Guarayos sehr nahe: Koffer nicht angekommen, 4 Stunden quälendes Suchen auf dem Flughafen Santa Cruz, die Schwestern krank, Dauerregen, Mückenschwärme, und zum Schluss positiver PCR-Test und Stornierung des Heimfluges. Ergo – nie mehr Bolivien!

Aber dann hat mich die Sehnsucht wieder getrieben, sodass ich im Februar 2023 erneut meine Koffer für den 20. Flug gepackt habe. Diesmal lief der Aufenthalt reibungslos ab, ohne unangenehme Zwischenfälle oder böse Überraschungen. Die Projekte sind wieder ein Stück vorangegangen, das macht mich glücklich und erfüllt mich mit frischer Kraft und neuer Energie.

Mein erster Besuch führt mich in das Ernährungszentrum Santa Clara – dem Herz unserer Projektarbeit. Unsere neue Mitarbeiterin Angelita, sie ist Psychologin, empfängt mich mit einer professionellen PowerPoint-Präsentation bezüglich der Arbeitsergebnisse des Jahres 2022. Insgesamt ist die Anzahl neuer unterernährter  Kinder und  die Zahl der Verlaufskontrollen der in Betreuung stehenden Kinder eklatant angestiegen. Dasselbe gilt für die Dorfbesuche, die Kochkurse, Ernährungsberatungen u.a. Der Umfang der an die Familien ausgegebenen, speziellen Kindernahrung hat neue Rekorde erreicht, was freilich auch finanziert werden muss. Die Folgen der Corona-Pandemie sind spürbar. Regelmäßig versorgen wir die Familien unserer Kinder mit Lebensmittelpaketen, um wenigstens eine Mahlzeit am Tag zu sichern.

Unser Ernährungszentrum ist umgezogen in ein größeres Gebäude, welches auch dem Orden gehört. Es heißt jetzt nicht mehr „Ernährungszentrum“, sondern „soziales Familienzentrum“, weil das Arbeitsspektrum der Schwestern längst nicht mehr nur Ernährung umfasst. Es ist nun ordentlich viel Platz für Veranstaltungen, Fortbildungen, Kochkurse, Kinderaktivitäten usw.

Integrales Familienzentrum SANTA CLARA

Das Frühförderzentrum TAU 1 war Corona Bedingt lange geschlossen. Für die behinderten Kleinkinder und ihre Familien war es eine Katastrophe. Nun ist eine junge Heilpädagogin – Bianca - gefunden, die die Einrichtung souverän und kompetent weiterführt.

Frühförderzentrum TAU 1

Das sonderpädagogische Förderzentrum TAU 2 ist nun vom Staat als Sonderschule für Lernbehinderte anerkannt. Darüber hinaus hat die Organisation Fe y Alegría die Schule unter ihre Fittiche genommen. Das ist wie ein Gütesiegel, welches mit seiner Außenwirkung auch der „Politik“ gefällt. Das bedeutet, dass wir von der kommunalen Verwaltung Interesse und Unterstützung erfahren. Außerdem verpflichtet sich der Träger, in dem Fall der Orden, dass alle Kinder, unabhängig ihrer sozialen Situation, aufgenommen und beschult werden. Kurz vor meiner Abreise zurück nach Europa hat die Schulbehörde die Übernahme von zwei Fachkräften zugesagt. Eine neue Lehrerin hat ihre Arbeit bereits aufgenommen.

Insgesamt befinden sich derzeit ca. 70 Kinder in heil- bzw. sonderpädagogischer Betreuung. Die meisten von ihnen werden täglich von zu Hause abgeholt und auch zurückgebracht. Die Anschaffung unseres Minibusses hat sich längst bewährt und ist nicht mehr wegzudenken.

Für die regelmäßigen Dorfbesuche hinaus in die bis zu 8 km entfernt gelegenen Hütten wurde ein geländegängiger Toyota Hilux gekauft. Das spart Zeit, Kraft und macht die Arbeit effektiver. Auch die Lehrerinnen profitieren von dem Fahrzeug, weil sie ebenfalls regelmäßige Hausbesuche durchführen.

Die Lebensmittelknappheit, steigende Preise, zunehmende Armut haben das Problem der Mangel-Fehl- und Unterernährung allgemein verschärft. D.h. dass die Bereitstellung von Lebensmitteln zusätzlich in den Hilfekatalog unserer Arbeit aufgenommen wurde. In den beiden Einrichtungen TAU 1 und TAU 2 erhalten die Kinder außerdem ein gesundes Frühstück bzw. eine warme Mittagsmahlzeit.

Das neue Familienzentrum liegt zwischen dem Hospital und der großen Schule Santa Teresita. Hier bewegen sich jeden Tag viele Menschen, die Patienten bringen, besuchen oder ihre Kinder von der Schule abholen. Zur eigenen „Einkommensförderung“ werden wir demnächst einen Kiosk errichten, an dem wir selbst zubereitete eiweißreiche Snacks und Getränke auf Soja-Basis verkaufen.

Potentielle Kundschaft

Der Kampf um die tägliche Mahlzeit ist seit der Corona-Pandemie dramatischer denn je. Die spektakulären Medienberichte über die weltweite Unterernährung gehen hier leicht vergessen, denn Hunger ist leise und unsichtbar. Der alte Vater eines jugendlichen Patienten mit Diabetes bat um 20 Bolivianos (knapp 3 €), um Lebensmittel kaufen zu können. Seit Tagen hätte die Familie nichts auf dem Teller, man behilft sich mit Limo und einem Schuss Alkohol, um den Hunger zu vergessen.

Der Umzug in das neue Gebäude bringt neue Herausforderungen. Die Zuwanderung aus dem noch ärmeren Hochland reißt nicht ab. Neue Dorfteile entstehen mit Menschen, die bei null anfangen und ihre Nöte mitbringen. Viele fühlen sich in der neuen Umgebung verloren und hausen in behelfsmäßigen Unterkünften. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen, dem wir uns gemeinsam stellen müssen. Aus diesem Grund blicke ich bereits auf die nächste Reise in diesem Oktober. Es ist dann der 21. Flug in eine Region, wo Hilfe und Unterstützung dringend gebraucht werden.

Vor diesem Hintergrund möchte ich mich bei Euch – bei Ihnen für die z.T. seit Jahren kontinuierliche Hilfe von Herzen bedanken. So ist es uns möglich, mit der nicht abreißenden Not einigermaßen Schritt zu halten. Die Akzeptanz unserer Einrichtung wächst und damit auch der Wille zu einer verbesserten Vernetzung vonseiten der beteiligten Institutionen vor Ort.

 

Mit den besten Wünschen für eine erholsame Sommerpause verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Ihre 

Dr.med. Ute Glock.

Marwin Hehl