Globaler Dialog mit Achtung und Offenheit
Kreis Anzeiger vom 25.07.2008
Missionsschwestern zu Besuch bei Dr. Ute Glock und ihrem Team vom "Projekt Guarayos" - Arbeit in Bolivien
Elfriede MareschBÜDINGEN. Fachkräfte und engagierte Ehrenamtliche mit Dritte-Welt-Erfahrung sind sich einig: Hilfe ist kaum wirksam, wenn sich kein Dialog in einer Atmosphäre gegenseitiger Achtung und Offenheit herstellt. Ein solcher Dialog ist anspruchsvoll, ein schrittweises Sich-kennenlernen, ein Verständnis für die Lebensbedingungen in einem anderen Land gehören dazu. Und im besten Fall entsteht daraus eine Freundschaft über Kontinente und Kulturen hinweg - Beweis dafür, dass wir tatsächlich alle Bewohner eines "Globalen Dorfes" sind. Ein solches freundschaftliches Beisammensein gibt es derzeit in Büdingen. Die Kinderärztin Dr. Ute Glock und die von ihr initiierte Gruppe "Projekt Guarayos" haben gerade zwei Gäste. Die österreichischen Missionsschwestern Letitia Pallhuber und Myriam Holaus sind für einige Tage ihres Heimaturlaubes nach Oberhessen gekommen und wohnen bei der Ärztin.
Es ist ein Treffen mit intensiven Gesprächen. Nur Ute Glock war schon mehrfach in Bolivien und kennt das Krankenhaus, das die Tiroler Franziskanerinnen aufgebaut haben, aus eigener Anschauung. Die Projektgruppe, deren harter Kern aus Ilona Bittner (Büdingen), Astrid Eichinger (Altenstadt), Renate Haas (Altenstadt), Irmgard Huth (Büdingen), Nora Itzel (Büdingen), Antoinette Henrich (Heegheim) und Anneliese Molz (Düdelsheim) besteht, konnte sich durch Fotos, durch den Film, den Ute Glocks Sohn Florian drehte, wie auch durch Erzählungen einen Eindruck verschaffen. Für die Frauen, die sich so vielfältig um Mittel für das bolivianische Krankenhaus bemüht hatten, die Stände bei der Landpartie, bei Straßenfesten, auf Weihnachtsmärkten organisierten, war es ein Erlebnis, zwei der Schwestern persönlich kennen zu lernen. Es war der Lohn für die Mühe der Oberhessinnen, von der Wichtigkeit des Krankenhauses zu erfahren - der einzigen medizinischen Versorgung in Ascension in der ländlichen Provinz Guarayos, 300 Kilometer von Santa Cruz entfernt.
Man könnte den beiden Schwestern stundenlang zuhören. Zwei Frauen, zwei Persönlichkeiten, zwei Temperamente: Die 68-jährige Schwester Myriam leitet die Kinderabteilung des Krankenhauses. Sie ist die bedächtigere der beiden, muss ein wenig mit Fragen gelockt werden, ehe sie von ihren Aufgaben erzählt. Man spürt aber, wie die Arbeit ihr Leben ausfüllt: Sie berichtet von gesund geborenen Kindern, die dann als Zwei- oder Dreijährige in elendem Zustand in die Klinik kommen - wenn sie nicht eher zufällig in abgelegenen Dörfern gefunden werden und die Familien erst mit sanftem Druck zur Aufnahme ins Krankenhaus überredet werden müssen. Gleichgültigkeit der Eltern? Sicher nicht, aber Resignation, Armut, Fatalismus. Selbstverständlich können dann die Mütter oder andere Familienmitglieder das Kind begleiten und im Hospital bei ihm bleiben. Schwester Myriam hat sehr kranke kleine Patienten: mit Hautinfektionen oder solchen des Magen-Darm-Traktes samt dramatischen Durchfällen und Austrocknung. Oft kommen Kinder mit Verbrennungen, Infektionskrankheiten, darunter auch Tuberkulose, vor allem aber mit Gedeihstörungen, die lebensgefährliche Formen annehmen können.
Die ältere Schwester Letitia ist die "Gesundheitspionierin" von Ascension. Hoch in den Achtzigern, hat sie doch etwas Mädchenhaftes, etwas Liebevoll-Verschmitzes, wenn sie aus Bolivien erzählt. Es hat sich viel geändert, seitdem sie vor fast 50 Jahren von ihrem Mutterhaus in Osttirol nach Ascension geschickt wurde. Ein paar 100 Guarayos-Indianer wohnten in der Siedlung, die inzwischen auf 21 000 Einwohner angewachsen ist. Es gab keine Straßen, zweimal in der Woche kam bei gutem Wetter ein Versorgungsflugzeug vorbei. Für den Pfarrer und die Missionsschwestern gab es einen Jeep. Wenn sie auf die anderen Seite des kilometerbreiten Rio Grande mussten, fuhr man den Geländewagen auf ein Floss und setzte über. Allenfalls Erste Hilfe konnte in einem Raum des Pfarrhauses geleistet werden, es gab weder einen Arzt noch eine eingerichtete medizinische Ambulanz. "Oft sind gesunde, junge Frauen am Wundstarrkrampf gestorben, wenn mit einer Sichel oder einem unsauberen Messe abgenabelt wurde", erzählt Schwester Letitia. Mit Zähigkeit und Courage gingen die Nonnen diesen Notstand an. Schwester Letitia ließ sich in Innsbruck zur Krankenschwester ausbilden und baute eine Ambulanz auf, aus der nach und nach das Krankenhaus mit seinen Fachabteilungen entstand. Dass die Kindersterblichkeit in Ascension deutlich gesunken ist, ist die schönste Belohnung für die Schwestern.
Chonta-Ringe, Zeichen der Freundschaft, aus Palmfrüchten geflochten, hatten sie ihrem oberhessischen Freundeskreis mitgebracht: "Ohne Euch hätten wir vieles in unserem Krankenhaus nicht einrichten können!" Und auch Ute Glock hatte ihrer Gruppe zu danken: "Ich bin von der Leistung der Schwestern fasziniert. Aber ohne Euch hätte ich nicht so viel Hilfe leisten können - ihr habt mich seelisch und tatkräftig unterstützt."