Die Nonnen lachen und rufen ,Foto‘
Kreisanzeiger vom 12.02.2011
12.02.2011 - BÜDINGEN/ASCENSIóN
Dr. Ute Glock hat abenteuerliche Anfahrt zum Kloster Ascensión in Bolivien hinter sich
Vergangene Woche brach Dr. Ute Glock aus Büdingen für vier Wochen nach Ascensión in der bolivianischen Provinz Guarayos auf. Gemeinsam mit den Schwestern des Franziskanerordens will sie die Spendengelder, die sie und ihr Team beim „Projekt Guarayos“ gesammelt haben, ihrem Zweck zuführen (der Kreis-Anzeiger berichtete). Mittlerweile hat sie sich im bolivianischen Dschungel in die Arbeit gestürzt. Für den Kreis-Anzeiger berichtet sie heute in ihrem Reisetagebuch von ihrer Ankunft in Bolivien.
„Die Reise über den Atlantik nach Bolivien war lang. Sie ist aber, als ich in Santa Cruz ankomme, noch nicht zu Ende. Anstatt der üblichen Weiterfahrt in die Provinz Guarayos geht es gleich am nächsten Morgen nach San Miguel, um an einer religiösen Feierlichkeit teilzunehmen.
Die Landschaft ist gigantisch schön. Nach Eis und Schnee in Deutschland ist das satte, üppige Grün des Dschungels eine Augenweide. Wir sind in Südamazonien - besonders jetzt nach der Regenzeit sind überall riesige Wasserpfützen. An diesen kleinen Seen spielt sich einiges ab: Jungen liefern sich Wasserschlachten, einer betreibt mit viel Shampoo seine Morgentoilette, Frauen stehen bis zur Taille im Wasser und türmen sich Berge von gewaschener Wäsche auf den Kopf. Es gibt massenhaft Vögel und Schwärme bunt schillernder Schmetterlinge.
In San Miguel werde ich in das einzige Hotel am Platz einquartiert. Es wirkt primitiv und provisorisch, erfüllt letztendlich aber seinen Zweck. Ich übernachte für fünf Euro und bekomme ein frisches Handtuch, Seife in Probengröße und eine ganze Rolle Toilettenpapier. Das Wasser fließt, die Dusche erfrischt und die Wasserspülung funktioniert.
Die Rückfahrt nach Ascensión am nächsten Tag wird zum Abenteuer. Nur zufällig finde ich einen Platz in einem der beiden Fahrzeuge, der Koffer wird auf dem Dach festgezurrt. Die Piste entpuppt sich als fast unbefahrbar, der für glatten Asphalt konzipierte Wagen droht bei jedem Loch zu bersten. Wie auf Eiern tastet sich unser Fahrer Don Johnny von Loch zu Loch. Schneller, als mit Tempo 30, kommen wir nicht voran. Für die jetzt vor uns liegenden 230 Kilometer bis Concepción brauchen wir geschlagene acht Stunden. Inzwischen setzt heftiger Tropenregen ein und verwandelt die rote Sandpiste im Handumdrehen in eine gefährliche Rutschbahn. Im Schritttempo schlingern wir Kilometer für Kilometer voran. Der Weg ist eine Morast-Strecke, immer wieder durchfahren wir Wasserlöcher, sie sind rot und schlammig.
Dann platzt ein Reifen. Es gießt noch immer in Strömen, aber die Nonnen und ich müssen raus aus dem Auto. Sofort fallen Millionen Mücken über uns her. Soweit habe ich nicht gedacht - mein Mückenspray kommt viel zu spät zum Einsatz. Ein vorbeibretternder Lkw verpasst uns allen eine rote Schlammdusche, wir sind von oben bis unten verdreckt. Die Nonnen lachen und rufen: ‚Foto!‘.
Mittlerweile ist es Nacht und der Dschungel nur noch schwarz. Wir durchfahren einen Schwarm von Leuchtkäfern, die wie Sternschnuppen durch die Luft fliegen. Es ruckelt, rappelt und poltert. Dann platzt wieder ein Reifen. Im schwachen Lichtschein einer jämmerlichen Taschenlampe wird auch dieses Rad gewechselt. Die Nonnen haben aufgehört, herumzualbern und beten jetzt den Rosenkranz.
Wir sind mittlerweile seit 14 Stunden unterwegs. Gegen zwei Uhr morgens kommen wir im Kloster in Ascensión an, meinem eigentlichen Bestimmungsort.
Jetzt beginnt die Arbeit. Schwester Miriam hat den Februar schon durchgeplant, mein Terminkalender ist voll. Wir verabreden uns mit den politischen Entscheidungsträgern am Ort, ohne die unser Projekt nicht realisierbar ist. Am Nachmittag unternehme ich den ersten Rundgang durch eines der Dorfteile, wo unsere Mitstreiterin Pastora den Müttern einen Vortrag über Kinderernährung hält. Es ist nass und sumpfig hier draußen, nur über Bretter können wir die großen Wasserlöcher überqueren. Die Brühe im Brunnen lässt mich erschaudern, denn ich weiß, dass das Wasser getrunken und zum Kochen benutzt wird.
“Ich freue mich über das Wohlwollen und Interesse all derer, die in die Projektarbeit eingebunden sind.“