Newsletter 2014

Friday, 20 February 2015


Büdingen im Dezember 2014

Liebe Freunde, liebe Wohltäter!

Bolivien 2014.

Es ist mir  vom Schicksal offenbar so bestimmt, dass ich von unserem Bolivienprojekt auch nach fast 11 Jahren nicht lassen kann. Der Flug mit vier Zwischenstopps ist quälend lang und auch der mehrwöchige Aufenthalt vor Ort ist kein Zuckerschlecken: Tropischer Dauerregen, Mücken, Schlammstraßen, Lärmbelästigung, dröhnender Karneval, unzuverlässige Gesprächspartner u.a. sind belastend und müssen ausgehalten werden. Nichtsdestotrotz überwiegen die Freude und das tiefe Glück angesichts strahlender Mütter und fröhlicher Kinder, die ohne uns ein trostloses Dasein fristen müssten.

Unser Projekt steht unter dem Motto „ Kindern eine Zukunft geben“. Die im Laufe der vergangenen Jahre entstandenen Einrichtungen legen Zeugnis ab, dass wir unserem Ziel näher gekommen sind:

Gleich gegenüber vom Kloster der Tertiarschwestern stößt man auf das Frühförderzentrum TAU,  wo derzeit ca. 40 z.T. schwer mehrfach behinderte Kinder fachgerecht betreut werden. Die Hälfte davon sind praktisch bildbare Schulkinder, die in der Regelschule nicht integriert werden können und die hier durch die Lehrerin Lidia Herrera sonderpädagogisch beschäftigt werden. Es herrscht immer fröhliches Treiben – sowohl bei den Großen, als auch bei den Kleinen. Fünf Hilfskräfte betreuen sie bei Alltäglichkeiten wie Essen, Spielen, Fortbewegen  usw. und fördern sie gezielt in den Bereichen Motorik, Sprache und Sozialverhalten. Das Ergebnis ist verblüffend und viele alte Bekannte sind kaum wiederzuerkennen.

Sozialpädagogischer Unterricht

Sozialpädagogischer Unterricht

Das Team vom Tau

Das Team vom Tau

Nur wenige Meter weiter befindet sich das Ernährungszentrum SANTA CLARA, wo sich Schwester Miriam mit ihren beiden Assistentinnen Pastora und Adriana um die unterernährten, chronisch kranken und missgebildeten Kinder kümmert. Eine der wichtigsten Kernaufgaben ist die Sojaküche immer dienstags für alle Mütter, die die altersgerechte Ernährung ihrer schlecht gedeihenden Kinder erlernen sollen. Der Zulauf ist gewaltig, auch wenn die Frauen draußen in ihren Hütten auf technische Hilfsmittel verzichten müssen.

Die vielen Kinder mit chronischen Krankheiten und Missbildungen werden nach wie vor auf ihrer langen Busfahrt zu Spezialeinrichtungen in Santa Cruz begleitet. Oftmals muss in sozialen Härtefällen zeitintensive Hilfe geleistet werden: z.B. sind weder die Eltern noch ihre Kinder aus den unterschiedlichsten Gründen amtlich registriert, sodass sie zur ärztlichen Behandlung im Krankenhaus nicht angenommen werden. Die in diesen Fällen völlig überforderten Mütter müssen in die zuständige Behörde begleitet werden, was manchmal mehrere Stunden in Anspruch nimmt.

Die Besuche in den Hütten gehören ebenso zu den täglichen Pflichten, die inzwischen mit dem Motorrad schneller und auch häufiger durchgeführt werden können. Sorgen- und Risikokinder lassen sich so engmaschiger beobachten, um tragische Verläufe zu vermeiden.

Hausbesuche

Hausbesuche

Sojaküche immer Dienstags

Sojaküche immer Dienstags

Die Organisation „ SOJA y VIDA“ aus Santa Cruz spendet uns seit Jahren den erforderlichen Bedarf an Sojabohnen, um unseren unermüdlichen Bemühungen um Aufklärung auch praktisch gerecht werden zu können. In diesem Jahr nun hat uns SOJA y VIDA ein industrielles Multifunktionsgerät geschenkt, mit dem große Mengen von Sojamilch und Sojamus zubereitet werden können. Damit wird die gezielte Verteilung an bedürftige Kinder in Schulen, aber auch an Schwangere und alte Menschen möglich gemacht. Leider stößt die Installation des komplexen Gerätes auf schier unüberwindbare Hürden, denn in Bolivien müssen veränderte Wasser- und Stromzuleitungen behördlich genehmigt werden. Der enorme Zeitaufwand aufgrund des umständlichen Verfahrens liegt auf der Hand. Auch die Verteilungsstrategie der Sojaportionen steht noch am Anfang und muss weiter durchdacht und organisiert werden. Ausdauer und Geduld werden immer wieder auf eine harte Probe gestellt.

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Multifunktionsherd von "Soya y Vida"

Während das Frühförderzentrum TAU mit den regelmäßig anwesenden Kindern ein Selbstläufer ist, funktioniert das Ernährungszentrum Santa Clara nur mit kontinuierlicher Öffentlichkeitsarbeit und enger Vernetzung mit den Behörden. Die bedürftigen Familien müssen regelmäßig in ihren entfernt gelegenen Hütten aufgesucht werden, was eine enge Zusammenarbeit mit den örtlichen Institutionen erforderlich macht. Leider werden Versprechen nicht gehalten, Termine nicht wahrgenommen oder Veranstaltungen kurzfristig abgesagt. Wir lassen uns dennoch nicht entmutigen und pflegen den regelmäßigen Austausch mit der örtlichen Kinderklinik, der Gemeinde Ascensión, den Organisationen PLAN und SOJA y VIDA. Letztendlich ist es uns gelungen, in dem stetig weiter wachsenden Indiodorf zugunsten der Kinder Strukturen zu schaffen, die es vorher nicht gegeben hat.

Der Kampf um freiwillige Helferinnen ...

Der Kampf um freiwillige Helferinnen ...

Kontaktpflege mit Chefarzt und Kinderarzt des Hospital Guarayos

Kontaktpflege mit Chefarzt und Kinderarzt des Hospital Guarayos

 

Aus schulpolitischen Gründen kann unser kleines Schulprojekt Nueva Esperanza derzeit nicht fortgesetzt werden. Wir suchen fieberhaft nach einer Alternativlösung, um besonders den bedürftigen Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen. Unterdessen unterrichtet unsere treue Lehrerin Tinga lernschwache Schüler, um ihnen einen Schulabbruch zu ersparen. Wir werden dieses Problem nicht aus den Augen lassen, um dem Bildungsauftrag doch noch gerecht zu werden.

Der Erfolg unserer Projekte hat dazu geführt, dass auch andere Geldgeber die bisherige Arbeit ergänzen bzw. fortführen: Die österreichische Organisation „Brüder und Schwestern in Not“ hat es ermöglicht, im März 2014 in unmittelbarer Nachbarschaft eine  Physiotherapiepraxis zu eröffnen. Hier kümmert sich Fabiola nicht nur um die Kinder vom TAU, sondern auch um alle anderen mit Bewegungs- oder Koordinationsstörungen. 

Fabiola bei der Arbeit

Fabiola bei der Arbeit

Für Ismail gibt es keine Heilung

Für Ismail gibt es keine Heilung

- nur Linderung

- nur Linderung

In der kleinen Gasse gleich gegenüber des Klosters sind also im Laufe der letzten Jahre  drei Einrichtungen für Kinder entstanden, eine Vierte wird 2015 eröffnet. Die kurzen Wege ermöglichen den Schwestern den regelmäßigen Kontakt mit allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, ebenso gewährleistet die Nähe zum „Hospital Guarayos“ im Notfall die rasche ärztliche Intervention. Selbstverständlich stehen  alle Einrichtungen im engen interdisziplinären Austausch, sodass umständliche Wege weitestgehend vermieden werden können. 

Die stetigen Fortschritte  beharrlicher Projektarbeit sind sowohl für die Schwestern als auch für uns, die Projektgruppe Guarayos,  eine große Freude. Überwältigend aber ist die Tatsache, daß die bislang entstandenen Institutionen nun offiziell von den Tertiarschwestern des Heiligen Franziskus anerkannt worden sind.  Das macht den Weg frei für die finanzielle, aber auch für die personelle Sicherung unserer gemeinsamen Arbeit. Was bislang private Initiative war,  ruht nun  auf vielen starken Schultern, die die Zukunft der Einrichtungen sichern mögen. 

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Sie haben uns "übernommen"

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Eigentlich könnte das „Projekt Guarayos“ nun einen Abschluss finden, aber fertig sind wir immer noch nicht. Und wieder ist es die österreichische Organisation „Brüder und Schwestern in Not“, die bei der Schaffung einer Förderstätte für behinderte Schüler – siehe oben - helfen wird. Schwester Andrea nennt es „Lebensschule“, wo diese Kinder bzw. jugendlichen Fertigkeiten zur selbständigen Versorgung erlernen können. Die Frühförderung im TAU I würde dann im neuen TAU II ihre sinnvolle Fortsetzung finden und den bisher betreuten Kindern würde die Rückkehr in Trostlosigkeit und Einsamkeit erspart bleiben.

„Den Kindern eine Zukunft geben“ soll auch weiterhin unser Motto bleiben. Dass wir es bis hierher geschafft haben, verdanken wir Ihnen, die gespendet  und all denen, die uns mit verwaltungstechnischen Ratschlägen begleitet haben.
Auf Hilfe und Unterstützung werden wir auch im kommenden Jahr angewiesen sein, denn wir benötigen sie für Ausstattung, Materialien und insbesondere für verlässliche Mitarbeiter.

Ich bedanke mich bei meiner „Franziskanischen Familie“  in Bolivien, in Bonn und München, in Hall und in Rom für ihr Vertrauen, ihre jahrelange Treue und ihre wertvollen Tipps. Ich wünsche mir und allen anderen auch weiterhin diese wertvolle Zusammenarbeit, denn Ascensión wird durch stetige Zuwanderung größer und größer und die Not wächst mit. Die Kinder sind der Armut und der Not am ehesten ausgeliefert und brauchen nach wie vor unseren Schutz und unsere Fürsorge.

Ihnen allen wünsche ich Frohe Weihnachten mit dem wunderbaren Gefühl, aus unserem Wohlergehen heraus den Ärmsten der Armen in einer vergessenen Region in Bolivien  eine bessere Perspektive erschlossen zu haben.

Ihre

Dr.med. Ute Glock

Marwin Hehl