Behandlung ist wichtig, Vorbeugung besser - Seit einigen Jahren engagiert sich die Arbeitsgruppe "Hospital Guarayos" für ein Krankenhaus in Bolivien
Kreis Anzeiger vom 03.11.2007
Frau Dr. Glock, dank Ihnen und Ihren Mitstreiterinnen sind innerhalb der vergangenen drei Jahre 40 000 Euro in das Hospital geflossen. Inkubatoren, OP- und Laborgeräte konnten mit diesen Mitteln ebenso angeschafft werden wie die Inneneinrichtung des neuen Geburtshilfe-Pavillons. Damit hat die Gruppe Vorbildliches geleistet und könnte sich eigentlich zur Ruhe setzen, oder?Ute Glock: Auf gar keinen Fall! Zwar freuen wir uns mit den Franziskanerinnen und dem Hospital-Team über den Ausbau und möchten unseren Spendern danken. Das Haus stellt die einzige medizinische Behandlungsmöglichkeit für eine abgelegene Landregion mit 15 000 zum Teil sehr armen indigenen Einwohnern dar. Gerade den Kindern geht es immer noch viel schlechter als bei uns in Deutschland. 22 Prozent der Babys sterben vor, während oder nach der Geburt, bei Kleinkindern enden Bronchitis, Lungenentzündung oder Durchfälle oft tödlich. 60 Prozent aller Todesfälle der unter Fünfjährigen beruhen im Wesentlichen auf einem schlechten Ernährungszustand, fast 35 Prozent aller Kleinkinder dieser Region leiden an Unter- oder Fehlernährung.
In Ihrem Film "Die Franziskanerinnen von Guarayos" wirkt die Landschaft grün und fruchtbar - offensichtlich kein Hungergebiet durch Versteppung oder Naturkatastrophen. Wie kommt es zur Unterernährung der Kleinkinder?Ute Glock: Teils durch eine schlecht ausgebaute landwirtschaftliche Infrastruktur, durch ungenügende Vorratshaltung in den Trockenzeiten, teils aber auch durch falsche Tradition. Die Kleinkinder bekommen zu wenig frisches Obst und Gemüse, vor allem aber zu wenig Eiweiß. Maisbrühen und -brei gelten als optimale Kleinkindernahrung. Ich habe selten so viele schwache, in ihrer Entwicklung zurückgebliebene Kleinkinder mit greisenhaften Gesichtern gesehen wie in den Dörfern um den Kernort Ascensión.
Sehen Sie eine Chance, gegen so schädliche Traditionen anzugehen, die Familien in den einsam liegenden Weilern überhaupt zu erreichen?Ute Glock: Mehr als das - wir haben schon die ersten Schritte in die richtige Richtung gemacht. Ganz sicher müssen kranke Kinder behandelt werden, aber viel wichtiger ist es, die Entstehung von Krankheiten zu verhüten. Behandlung ist wichtig, Vorbeugung ist besser. Das Hospital Guarayos konnte sich mit der Hilfsorganisation PLAN International vernetzen. Nach einem von der Weltgesundheitsorganisation WHO entwickelten Programm werden Gesundheitshelferinnen ausgebildet.
Wer sind diese ausgebildeten Gesundheitshelferinnen und wie sehen ihre Aufgaben ganz konkret aus?Ute Glock: Bereits 45 ältere Frauen konnten für dieses Ehrenamt gewonnen werden und treffen sich laufend zum fachlich begleiteten Austausch. Sie machen einmal monatlich Hausbesuche zum Auffinden unterernährter oder kranker Kinder und beraten die Mütter, was die Zusammensetzung der Ernährung wie auch die Hygiene bei der Zubereitung angeht. Sie achten aber auch darauf, ob die Kinder Krankheitssymptome zeigen, wegen Husten, Durchfällen, Erbrechen oder Malaria behandelt werden müssen. Dann werden sie ambulant oder stationär an die Klinik vermittelt. Ebenso beraten sie die Mütter hinsichtlich Unfallverhütung, achten darauf, ob Kinder Misshandlungszeichen aufweisen, beobachten die Entwicklung der Kleinen, beraten die Frauen hinsichtlich Schwangerschaftskomplikationen und Familienplanung. Unterernährte Kinder werden einmal pro Woche besucht, für jedes dieser Kinder wird eine Karteikarte angelegt, die auch dem Kinderarzt zugänglich ist.
Ein anspruchsvolles Programm, dessen Effizienz von der Begleitung und Motivation der Ehrenamtlichen abhängt. Können denn Spenden aus Oberhessen etwas dazu beitragen?Ute Glock: Auf jeden Fall! Wir haben bereits 15 Waagen für die Kinder angeschafft, die mit in die Ortsteile genommen werden. Dann möchten wir den Ehrenamtlichen pro Quartal eine Anerkennungsprämie in Form von drei Litern Öl und drei Kilogramm Zucker geben, einmal im Jahr auch eine Sonderprämie. Ganz wichtig ist uns die Finanzierung von Diagnostik und Therapie von Kindern, die nicht krankenversichert sind.
Wann kann man sich wieder direkt bei der Gruppe über den Projektverlauf informieren?Ute Glock: Wir sind auf dem Büdinger Weihnachtsmarkt wieder mit einem Stand vertreten. Dankbar sind wir aber jetzt schon für Spenden (Thüringische Franziskanerprovinz, Kontonummer 80005717 bei der Bank für Orden und Mission, Bankleitzahl 51091711, Stichwort Hospital Guarayos Bolivien).